Knotenpunkte im Leben

Das Paar im Gespräch

Das Zwiegespräch

„Wir wollten einfach glücklich sein, wir lieben uns, aber wir können einfach nicht miteinander reden.“

Das ist eine häufige Aussage von Paaren, die zu uns in die Beratung kommen.

Sie mögen sich noch, erledigen auch den gemeinsamen Haushalt, kümmern sich um die Kinder. Das Leben und Sprechen dreht sich nur noch um aufgabenbezogene Dinge: Erziehungsfragen, Urlaubspläne, Berufsprobleme, Geldausgaben.

Aber hinter der Aussage „wir können nicht miteinander reden“ steht oftmals Ratlosigkeit und Verzweiflung. Das Paar fühlt sich beziehungslos, eine Art Getrenntsein und Einsamkeit zu zweit.

Wenn wir uns aufeinander beziehen, halten wir unsere Beziehung lebendig.

Hier soll kurz eine „Methode“ vorgestellt werden mit der Paare – mit oder ohne Paarberater – dies „Sich Aufeinander Beziehen“ einüben und lernen können.

Der Psychotherapeut Michael Lukas Moeller hat diese Methode vor ungefähr zwanzig Jahren aus seiner Arbeit als Paartherapeut und Begründer der Selbsthilfegruppen entwickelt. Er nennt diese Form der Gespräche „ZWIEGESPRÄCHE“.

„Die bis zum Überdruß bekannten Streitstrategien und Partnerschaftsdebatten, diese endlose Beziehungsdiskutiererei – das sind keine Zweigespräche, das sind Zwiespaltgespräche. In solchen `Beziehungskisten`will ich dem anderen weismachen, wie er wirklich ist. Mein seelischer Schwerpunkt liegt beim Gegenüber. Dagegen versuche ich im Zwiegespräch, dem anderen zu zeigen, wie ich mich selbst gerade erlebe. So bleibe ich mit meinem Schwerpunkt bei mir und damit – für viele überraschend – im Zentrum der Beziehung.“ (Moeller, S.15)

Regeln für das Zwiegespräch

Das Paar verabredet sich zu einem Zwiegespräch. Hierbei ist es günstig gemeinsam eine Zeit zu finden, zu der das Paar ungestört ist. – Kein Telefon, keine Kinder etc...

Es ist auch gut (zumindest in der Anfangszeit) einen festen Tag in der Woche zu wählen.

Die Zeit sollte eineinhalb Stunden betragen, nicht mehr und nicht weniger. – Das ist der Zeitraum, in dem man aufmerksam sein kann und auch nichts mehr „zerredet“.

Der jeweilige Partner spricht nur von sich, nicht über den Anderen (ich fühle mich jetzt gut/schlecht, wenn du dies oder jenes sagst/machst).

Ausreden lassen, nicht unterbrechen.

Das Zwiegespräch wird nicht gleich klappen. Das muss so sein, denn wir sind es nicht geübt, auf diese Weise zu kommunizieren. Die Schwierigkeit kann schon damit anfangen, einen gemeinsamen Termin zu finden. Es wird Widerstand gegen diese unvertraute Art des Redens geben. Probleme damit überhaupt einmal von sich zu reden,

seinen Gefühlen, Wut und Zuneigung, Unsicherheit, Angst, seinen Wünschen und Sehnsüchten.

In den ersten Wochen oder Monaten kann ich als Paarberaterin begleitend mit dem Paar über diese Schwierigkeiten sprechen, sie besprechen und damit gegebenenfalls ermutigen weiterzumachen.

Was kann in und durch die Zweigespräche passieren und bewirkt werden?

Austausch von Selbstportraits

Jeder nimmt am Leben und Werden des anderen teil, es wird auf das Durchleuchten des anderen verzichtet. Ich zeige dem anderen, wie ich mich selbst gerade erlebe. Damit wird das Zwiegesprächs zu einem besonderen gefühl-vollen Ort.

Schulde der Gefühle

Das Paar lernt, sich in den anderen einzufühlen, sich hineinzuversetzen und hebt eine Blindheit auf:

„- die Blindheit für sich selbst – was ich verleugne und verdränge; welches selbstpotential in mir steckt; meine Konflikte und Defekte; den Einfluss meiner Lebensgeschichte; die unbemerkten Enttäuschungen.

- die Blindheit für die Beziehung – dass ich die Abhängigkeit von meinem Beziehungsgeflecht leugne oder sehr unterschätze: der Familiendynamik, die mich geprägt hat; dem Einfluss der Arbeitswelt.

- die Blindheit für die Bedingungen der Beziehung – dass sie so werden, wie die Verhältnisse, die wir für sie schaffen, sehen wir zu wenig; als Kind werden wir in eine Grundordnung geboren, jetzt müssen wir sie uns als Eltern unserer selbst `schaffen: für unsere Liebe, für unsere Kinder, für unsere eigene Gesundheit.

- die Blindheit für die ununterbrochene Entwicklung der Beziehung – die Hochzeit ist nicht die erste Verliebtheit; ein lebendiges Paar kann sich des nächsten Morgens nicht gewiss sein; ... das zehnte Zwiegespräch ist nicht das fünfzigste.

So sorgt die `Weiterbildung des Paares in eigener Sache`, ... auch dafür, dass die üblichsten Formen blinden Paar-Agierens abnehmen:

Jammern, weil die Beziehung nicht klappt;

Bagatellisieren der Probleme, besonders, wenn sie den anderen betreffen;

Mit-dem-Finger-auf-den-anderen-Zeigen, sich mit dreckigen Vorwürfen reinwaschen;

anfallsweise Nothandeln – beispielsweise erst reden, wenn alles zu spät ist.“ (S. 271/2)

Seelisches Aphrodisiakum

Da die Einfühlung gefördert und seelische Irritationen beseitigt werden können, wird die Erotik – die Spannung und der Drang nach Verbundenheit - neu belebt. Diese Art des Zusammenseins entspricht der Erfahrung des `gelungenen` Liebemachens.

Bei einigen geht das schnell, bei anderen dauert es vielleicht Jahre, das Tempo ist für jedes Paar anders. Wir lernen und lieben/leben in Beziehungen, wenn wir das praktizieren, fühlen wir uns (wieder) lebendig.

Zum Weiterlesen

Michael Lukas Moeller, Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch. Rowohlt-Verlag

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© 2017 Esther Böhlcke